Wie viele seid ihr?
Aktuell steigen die Umfragewerte für die AfD, obwohl die gewählte Mehrheit sich sichtbar Mühe gibt, die großen Probleme in Deutschland zu lösen. Dagegen glänzt die AfD lediglich durch Machtansprüche und destruktive Störversuche. Wie kann das sein?
Soziale Isolation und Atomisierung
→ Soziale Isolation: Menschen, die sich sozial isoliert fühlen, können sich von den komplexen Anforderungen einer demokratischen Gesellschaft überfordert fühlen. Demokratien erfordern aktive Teilnahme und kritisches Denken, was als belastend empfunden werden kann, wenn man sich nicht ausreichend unterstützt oder verbunden fühlt.
→ Atomisierung: Das Gefühl der Atomisierung kann dazu führen, dass Menschen nach einfachen Lösungen und klaren Hierarchien suchen, die ihnen ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit bieten. Autoritäre Strukturen bieten oft klare, wenn auch rigide, Regeln und Rollen, die weniger kognitive Anstrengung erfordern.
Wunsch nach Kontrolle
→ Wunsch nach Kontrolle: Der Wunsch, andere zu kontrollieren, kann aus einem Gefühl der eigenen Machtlosigkeit oder Überforderung entstehen. In einer demokratischen Gesellschaft, in der Macht und Einfluss durch Wahlen und Diskussionen ausgehandelt werden, kann das Gefühl entstehen, dass die eigene Stimme nicht gehört wird oder dass der Einfluss begrenzt ist. Autoritäre Strukturen bieten die Illusion von Kontrolle und Einfluss, indem sie klare Feindbilder und einfache Lösungen präsentieren.
→ Denkfaulheit und Bildung: Der Wunsch nach Kontrolle kann auch mit einer gewissen „Denkfaulheit“ einhergehen, da autoritäre Systeme oft weniger komplexe Erklärungen und Lösungen anbieten. Die Bereitschaft, sich mit komplexen gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen und kritisch zu hinterfragen, könnte geringer sein, wenn man sich von den Anforderungen überfordert fühlt.
Blinde Wut und Zerstörungswut
→ Frustration und Aggression: Frustration über das eigene Unvermögen, in einer komplexen und wettbewerbsorientierten Gesellschaft zu bestehen, kann in Aggression und den Wunsch zur Zerstörung umschlagen. Diese Aggression richtet sich gegen die Strukturen, die als Ursache der Frustration wahrgenommen werden.
→ Wettbewerbsverweigerung: Die Angst vor dem Scheitern und ein geringes Selbstwertgefühl können dazu führen, dass Menschen den Wettbewerb insgesamt ablehnen und stattdessen nach Wegen suchen, das System zu zerstören, das diesen Druck erzeugt. Die Zerstörung dieser Strukturen kann als eine Möglichkeit gesehen werden, das eigene Selbstwertgefühl zu schützen, indem man die Quelle des Drucks beseitigt.
→ Projektion und Schuldzuweisung: Anstatt die eigenen Unzulänglichkeiten oder Ängste anzuerkennen, projizieren Menschen diese oft auf externe Strukturen oder Gruppen. Die Wut richtet sich dann gegen diese äußeren Ziele, die als Ursache des eigenen Unbehagens wahrgenommen werden.
„Wieviele seid ihr?“
Die Frage nach der potenziellen Größe der Anhängerschaft der AfD ist entscheidend, um das Ausmaß des Problems zu verstehen. Wenn die Anhängerschaft ständig zunimmt, obwohl die Partei keine konstruktiven Leistungen erbringt, deutet dies darauf hin, dass die komplexen Grundlagen der Demokratie für einen signifikanten Teil der Bevölkerung nicht attraktiv oder verständlich sind. Dies könnte zu einer Situation führen, in der die Bemühungen der demokratischen Parteien keinen Einfluss auf die Wählerentwicklung haben, da die Anziehungskraft der einfachen Lösungen und klaren Hierarchien der AfD stärker ist.
Letztlich müssen besorgte Demokraten erkennen, dass die potenzielle Anhängerschaft der AfD möglicherweise weiter wächst, bis sie sich vollständig hinter der Partei versammelt hat, es sei denn, es gelingt, die komplexen Grundlagen der Demokratie verständlicher und attraktiver zu machen. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den psychologischen Mechanismen hinter der Anziehungskraft autoritärer Strukturen und die Entwicklung von Strategien, um die soziale Isolation und das Gefühl der Überforderung in der Bevölkerung zu reduzieren.
Diese Struktur führt von den allgemeinen psychologischen Zuständen der Isolation und des Kontrollwunsches hin zu den spezifischen emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen, die wir beobachten können.
Was ist so schwierig an der Demokratie? Komplexität der liberalen Demokratie.
Inhärente Komplexität
→ Vielfalt und Pluralismus: Liberale Demokratien sind darauf ausgelegt, eine Vielzahl von Meinungen, Interessen und Lebensweisen zu integrieren. Diese Vielfalt führt zwangsläufig zu einer komplexen politischen Landschaft, in der Kompromisse und Verhandlungen notwendig sind.
→ Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung: Die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung sind essenziell für eine funktionierende Demokratie, erfordern jedoch ein tiefes Verständnis der politischen und rechtlichen Strukturen. Diese Komplexität kann für viele Bürger überwältigend sein.
Unvermeidbare Komplexität
→ Entscheidungsfindung: Demokratische Entscheidungsprozesse sind oft langwierig und kompliziert, da sie die Beteiligung und das Einverständnis vieler verschiedener Akteure erfordern. Diese Komplexität ist notwendig, um sicherzustellen, dass Entscheidungen fair und repräsentativ sind, kann jedoch auch zu Frustration und dem Wunsch nach einfacheren Lösungen führen.
→ Transparenz und Rechenschaftspflicht: Demokratien verlangen Transparenz und Rechenschaftspflicht von ihren Institutionen und Vertretern. Diese Anforderungen führen zu einer zusätzlichen Komplexität, da Bürger Zugang zu Informationen haben und diese kritisch bewerten müssen.
→ Herausforderungen der Vereinfachung: Gefahr der Vereinfachung: Eine Vereinfachung der demokratischen Prozesse könnte die Grundprinzipien der liberalen Demokratie untergraben. Vereinfachte Lösungen könnten die Rechte von Minderheiten gefährden, die Gewaltenteilung schwächen oder die Transparenz verringern.
→ Bildung und Aufklärung: Anstatt die Komplexität zu reduzieren, ist es entscheidend, in Bildung und Aufklärung zu investieren, um den Bürgern die notwendigen Werkzeuge und das Wissen zur Verfügung zu stellen, damit sie die Komplexität der Demokratie verstehen und schätzen können.
Zuspitzung zur problematischen These
Die inhärente Komplexität liberaler Demokratien kann nicht einfach reduziert werden, ohne ihre fundamentalen Werte und Prinzipien zu gefährden. Diese Komplexität ist notwendig, um die Vielfalt der Gesellschaft zu integrieren, faire Entscheidungsprozesse zu gewährleisten und die Rechte aller Bürger zu schützen. Die Herausforderung besteht darin, Wege zu finden, diese Komplexität verständlicher zu machen und die Bürger zu befähigen, aktiv und informiert an demokratischen Prozessen teilzunehmen.
Mögliche Konsequenz und Chance
Allerdings könnte das dazu führen, dass zwei richtige Erkenntnisse zu einer falschen Schlussfolgerung führen. Wenn nämlich die erkennbare und nicht reduzierbare Komplexität der liberalen Demokratie und die ebenso erkennbare wie mittelfristig nicht zu beseitigende Überforderung weiter Teile der Gesellschaft richtige Beobachtungen sind, würde das den Tod der Demokratie zur logischen Folge haben.
Es bliebe dann nur noch die Frage, wie wir die Überlegenheit der Demokratie, die geschichtlich belegbar ist, in einfache Botschaften überführen kann und ich denke, das ist die eigentliche Herausforderung für Demokraten. Offensichtlich haben aktuell die Demokraten kein Werkzeug an der Hand, um ihre Haltung in viele kurze, einfache und überzeugende Botschaften zu packen. Das müssen wir ändern!
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