Dabei wäre es so wichtig

23.Sep.2024 | Die lange Reise, Politik

Aufruf an die deutsche Jugend

 

Liebe Generationen XYZ, Alpha und folgende deutschen Generationen. Ich verfolge aufmerksam eure politischen Ansichten, die etliche von euch in Wahlen zum Ausdruck bringen. Da ich ein alter Mann bin, kann ich es verstehen. Das wundert euch vielleicht, aber dabei vergesst ihr, dass wir alten Menschen auch einmal jung waren und zumindest die Emotionalität in jungen Jahren bestens kennen. Nicht nur aus unserer eigenen Erfahrung, sondern auch noch ein zweites Mal beim Aufwachsen unserer Kinder. Es gibt einen zweiten Grund, warum zumindest die Alten, die nicht irgendwann grundsätzlich das Denken eingestellt haben, mehr verstehen können. Wir haben mehr gelernt, weil wir mehr Zeit dazu hatten. Zeit zum Lernen zu haben ist ein Privileg, das besonders die ganz Alten haben, die nicht mehr einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen.

Diejenigen von uns, die die eigene Geschichte mit der jüngeren Weltgeschichte verbinden können, weil sie sich damit beschäftigt haben, wissen wo der Schuh drückt. Als junger Erwachsener bekommt man irgendwann das Gefühl, dass man überall verarscht wird, und dieses Gefühl ist absolut richtig. Leider vergessen es viele Erwachsene im Trubel des Erwerbslebens wieder und solidarisieren sich auf der Erfolgsleiter mit den Manipulatoren, weil es ihnen persönliche Vorteile bringt. Und hier beginnt das Problem, das ihr aufgrund fehlender Erfahrung teilweise nicht begreifen könnt. Unser emotionaler Baukasten, der in biochemischen Prozessen erkennbar wird, beinhaltet nämlich das Prinzip Hoffnung, das alle jungen Menschen zum Überlebenskampf und zur Fortpflanzung bewegen soll. Wohldosiert ist Hoffnung durchaus nützlich, aber in jungen Jahren hat man oft zu viel von diesen Emotionen. Diese Hoffnung suggeriert euch, dass in einem Wettbewerb, der Schwächere durch die Macht von Mehrheiten oder Diktatoren benachteiligt, für euch persönliche Vorteile entstehen. Das beruht auf der Hoffnung, dass ihr zu den Gewinnern gehört. Es ist allerdings viel wahrscheinlicher, dass die meisten von euch zu den Verlierern gehören werden. Das ist reine Mathematik und kann an der statistischen Macht- und Vermögensverteilung ganz einfach abgelesen werden. So werdet ihr von Förderern der Unterdrückung selbst zu Unterdrückten. Ihr schaufelt euch das eigene Grab. Die jüngere Weltgeschichte beweist, dass nur im Gleichgewicht der Kräfte Friede und Wohlstand gedeihen kann.

Zurück zum verarscht werden. Wenn wir in die Weltgeschichte zurückblicken, so beginnt die Menschwerdung etwa vor 4 Millionen Jahren. Es ist sehr wichtig, zu verstehen, dass es eine sehr lange Zeit nur regionale Scharmützel zwischen Menschen gegeben hat, weil nur wenige sich auf einen damals noch riesengroßen Raum verteilt haben. Je enger es wurde, desto mehr Auseinandersetzungen gab es. Der entscheidende Twist geschah, als Ackerbau und Viehzucht die Menschen sesshaft werden ließ. Das geschah erst vor ca. 12000 Jahren. Das mag euch als eine unfassbar lange Zeit erscheinen, aber wenn ihr dazu 4 Millionen ins Verhältnis setzt, dann erkennt ihr, dass es erst ‚kürzlich‘ passierte. Von da an lebten die Menschen von ihrem ‚Grundbesitz‘, der allerdings damals noch nicht verbrieft war, aber in gewisser Weise der Anfang des Kapitalismus war. Je mehr man ‚besaß‘, desto besser lebte man.  Von nun an wurde nicht mehr hauptsächlich das eigene Leben verteidigt, sondern der Besitz. Und hier beginnt das Prinzip der Verarschung. Die Besitzenden fingen an diejenigen in der Gruppe zu manipulieren, die zwar zur Gemeinschaft gehörten, aber aus vielfältigen Gründen keine Macht über den ‚Besitz‘ hatten. Sie wurden zu Soldaten und Bewahrern des Besitzes ernannt und mit Fahnen und Abzeichen in die Schlachten geschickt. Sie starben für die Besitzgemeinschaft, während die Mächtigen natürlich keine Zeit zum Kämpfen hatten, weil sie ja den Besitz ‚verwalten‘ mussten. Daraus entstand die Bürokratie. Bürokratie ist im Prinzip ein Unterdrückungsmechanismus, der Einzelne von der Wahrung ihrer eigenen Interessen abhält. Angeblich zum Vorteil der Gemeinschaft, was manchmal richtig aber auch genauso oft falsch ist.

Ihr seid die Generationen der Zukunft und ich fordere euch auf, trotz aller Verwicklungen in Liebeskummer, Existenzangst, Verzweiflung, Trotz und anderer überwältigender Emotionen das Denken nicht zu vergessen. Es liegt an euch, das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten, um eure Interessen auch zukünftig vertreten zu können. Es ist bisher nicht erklärlich, wie diese Macht des Denkens evolutionär entstanden ist und es gibt abenteuerliche Erklärungen dafür. Wichtig ist jedoch, dass wir diese Macht auch zu unserem Vorteil einsetzen. Ihr wollt eine Veränderung und seid es leid, dass Politiker mehr an der eigenen Karriere als an dem Wohlergehen des Staates interessiert sind. Ich sage ausdrücklich Staat und nicht Volk, denn das Zeitalter der Völker ist längst vorbei. Es kostet euch nur ein paar Stunden der Nachforschung, um das anhand der jüngeren Geschichte zu erkennen. Putin setzt dieses ‚Volksmärchen‘ beispielsweise manipulativ für die Interessen seiner Machtclique ein. Wenn ihr also den persönlichen Machtinteressen etwas entgegensetzen wollt, so ist es absurd die zu stärken, die offensichtlich nur am Wohlergehen ihrer eigenen Klientel durch Hetze an Minderheiten interessiert sind. Sie werden nach den Migranten immer neue Minderheiten finden, die ihren Interessen entgegenstehen. Ja, auch wir Freunde der Demokratie und der persönlichen Freiheit finden es abscheulich, dass kriminelle Clans gewaltsam Teile unseres Gemeinschaftswesens zerstören. Und ja, die etablierten Parteien haben an dieser Stelle in Bezug auf die Durchsetzung der Gesetze kläglich versagt, weil sie das Augenmaß in der Führung ihrer Bürokratie verloren haben. Es macht jedoch keinen Sinn, den Teufel durch den Teufel vertreiben zu wollen. Zumal der andere Teufel noch viel abscheulichere Taten offen ankündigt. Und diese Taten werden nach ‚Machtergreifung‘ mit Gewalt durchgesetzt werden. Nicht nur die deutsche Geschichte ist dafür ein Beispiel.

Vielleicht werden einige von euch tatsächlich von einer wahrscheinlich folgenden Autokratie profitieren, aber ich garantiere euch, dass die meisten von euch nicht dazugehören werden, weil ihr euch nicht in die Lage gebracht habt, diese Machenschaften zu durchschauen. Machenschaften sowohl auf der Seite der etablierten Parteien als auch auf der Seite der extremen Parteien. Es mag langweilig erscheinen, aber nur die Auseinandersetzung in der Mitte der Gesellschaft hat Aussicht auf eine positive Veränderung. Bleibt laut, aber wählt das richtige Spielfeld dafür aus. Kämpfe werden auch innerhalb demokratischer Parteien mit großer Härte ausgetragen. Wenn ihr kämpfen wollt, kämpft dort. Extreme Parteien zu wählen ist ein Akt der Bequemlichkeit und der Feigheit.

Als Künstler beobachte ich neben dem politischen Geschehen auch die Kunstszene. In der populären deutschen Musik beherrschen jammernde Befindlichkeitsbarden (du liebst mich nicht mehr) und extreme Hip-Hopper die Charts. Das ist genau das Bild, das ihr auch in eurer politischen Haltung offenbart. Wenn ihr nicht selbst zur Veränderung schreitet und euren Geist aktiviert und öffnet, werdet ihr immer weiter verarscht – von jeder Partei.