Weisheit als Chance für eine befriedete Menschheit
Der weit verbreitete Irrtum, dass eine bestimmte Gesellschaftsform, Religion oder Ideologie die allein glücklich machende sei, ist nicht auszurotten. Dabei ist schon bei einer nicht sonderlich vertieften Sicht, sozusagen mit dem bloßen Auge, erkennbar, dass nur Weisheit zum Ziel führt.
Der weit verbreitete Irrtum, dass eine bestimmte Gesellschaftsform, Religion oder Ideologie die allein glücklich machende sei, ist nicht auszurotten. Dabei ist schon bei einer nicht sonderlich vertieften Sicht, sozusagen mit dem bloßen Auge, erkennbar, dass nur Weisheit zum Ziel führt.
Um nicht gleich am Anfang die Diskussion in trübe Polemik abgleiten zu lassen, sollten wir einen Blick auf die Begriffe ‚Weisheit‘ und den Gegenspieler ‚Dummheit‘ richten. Über Dummheit habe ich mich bereits früher eingelassen, es sei aber noch einmal die Lektüre der Wikipedia-Definition empfohlen. Bevor ich mein Verständnis von Weisheit im Zusammenhang mit diesem Artikel erläutern will, sei auch hier der Wikipedia-Artikel zu Weisheit empfohlen.
In diesem Artikel möchte ich mich auf den Aspekt des Wollens (oder der Anstrengung) konzentrieren, einen Gedanken bis zur weitest möglichen, globalen Übereinkunft reifen zu lassen. Dabei bediene ich mich einer grob vereinfachten Zoomtechnik. Mit dieser Technik beginne ich bei einer Annahme, dem ‚Zero Zoom‘, und begebe mich je nach Notwendigkeit auf höhere (zusammenfassende) oder tiefere (Detail) Ebenen der Betrachtung.
Ich gehe davon aus, dass der Stand der Informationsmöglichkeiten (nur der Zugang ist bisweilen problematisch) für den Großteil der Erdenbürger hinreichend ist, unser Universum in den gröbsten Zoomstufen von Mikrokosmos und Makrokosmos ideologiefrei zu verstehen. Die Frage nach Gott, seinem Willen und alle Fragen nach Anfang und Ende, gut und böse, etc. können dabei außen vor gelassen werden, da auf der Basis der Bedeutungsvielfalt unserer Sprache noch genügend Interpretationsspielraum für den überwältigenden Teil der Religionsdeuter und Ideologen bleibt. Wer selbst die Basiserkenntnisse (Planeten, Sonne, Milchstraße, Universum, Moleküle, Atome, Evolution) der Wissenschaft anzweifelt, muss hier ignoriert werden, da anzunehmen ist, dass es sich nicht um dumme Menschen handelt, sondern dass hier eine geistige Krankheit, oder zumindest ein Grenzwert dessen vorliegt.
Als Weisheit im Sinne der hiesigen Betrachtung würde ich auf dieser Grundlage schon die Erkenntnis gelten lassen, dass es unzählige von Varianten der erfahrbaren Dinge gibt, was nicht zuletzt an der Einmaligkeit jedes Menschen deutlich, also für jeden erkennbar, sein sollte. Diese Grunderkenntnis kann man auch mit dem Begriff ‚Toleranz‘ beschreiben. Tolerieren bedeutet dabei zunächst nicht mehr, als die Tatsache der Vielfalt zu akzeptieren, oder strenger formuliert, bewusst zu bestätigen. Dass unser Gehirn ständig und unzweifelhaft mit der gedanklichen Durchdringung dieser Vielfalt überfordert ist, dürfte dann im nächsten Schritt auch keine überdurchschnittliche Intelligenz voraussetzen, also für jeden, der Willens ist, eine relativ einfache, nachvollziehbare Geistesleistung sein. Die daraus folgende Haltung kann man mit dem Begriff ‚Demut‘ beschreiben.
Nun braucht es nur noch einer letzten gedanklichen Anstrengung, um Toleranz und Demut zu einer Grundhaltung zu vereinigen. Die muss nämlich eindeutig bestätigen, dass alle in diesem gemeinsamen Bewusstseinsraum von Menschen wahrgenommenen Aussagen zugleich als falsch UND richtig anzunehmen sind, und dass eine end-gültige Wertung nur durch eine uns übergeordnete Instanz geschehen kann. Aus diesem Grundsatz des Denkens gibt es mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln kein Entrinnen! Gott oder Allah, oder was auch immer, sind in diesem Zusammenhang also wahrlich keine Wahnvorstellungen sondern leicht verständliche ‚Auswege‘ aus unserer Beschränktheit. Problematisch wird es erst, wenn wir beginnen, gewisse Zeichen als Deutung einer Wertung der geforderten, angenommenen oder abgelehnten Instanz zu sehen. Allerdings gebieten Toleranz und Demut wiederum eine nicht wertende Haltung des menschlichen Beobachters (siehe > du sollst dir kein Bildnis machen > Christentum UND Islam).
In unserer krankhaften Sucht nach Eindeutigkeit und Einfachheit vergessen wir leicht, dass Einfachheit im göttlichen Kontext nur dem beschränkten Menschen zuerkannt wird, und nicht etwa der Welt, oder gar Gott selbst, der ja allmächtig und damit das gegensätzliche Extrem von einfach ist (siehe > al-Buchārī: Diese Religion ist leicht. Doch wer die Religion einengt, der wird nie zufrieden sein …). Dieser kleine Ausflug bezieht sich auf die aktuelle Auseinandersetzung von Islam und Christentum, die genauso gefährlich, wie überflüssig ist.
Doch kommen wir zur angemahnten Weisheit jenseits der Religionen zurück. Um die relative Einfachheit des hier diskutierten Weisheitsgrundsatzes zu verdeutlichen, will ich ein Beispiel anführen. Auf dem Tisch liegt ein Blatt Papier – die oben liegende Seite ist rot. Auf die Frage: „Welche Farbe hat das Blatt Papier?“, würde der Dumme für seine Überzeugung: „Das Papier ist rot!“, sogar in den Krieg ziehen. Der Weise würde auf die nicht sichtbare Seite hinweisen und die Beantwortung der Frage als (aus seiner momentanen Sicht) unmöglich erkennen. Der sehr religiöse Mensch mit einem übertriebenen Hang zur Demut, würde jede knifflige Frage sowieso Gott überlassen: „Das weiß nur Gott allein!“ Der sehr Weise im Sinne des „Dorfältesten“ alter Stammeshierarchien würde vielleicht davon erzählen, wie man der Beantwortung der Frage durch Umdrehen (Handlung oder Anstrengung zur Steigerung der Erkenntnis) näher kommen kann. Vielleicht würde er sogar Falttechniken vorführen, die eine erkenntnisreichere Sicht ermöglichen, oder gar von der Zeit erzählen, als das Blatt Papier noch ein Baum war (siehe Transzendenz).
Diese Art von Weisheit würde ich als Basis für die Erkenntnis unserer Welt im Kindergartenalter lehren. Dass erwachsene Menschen, ja sogar alte, scheinbar gebildete Menschen diese Grundregeln des Denkens nicht beherrschen, kommt einer Tragödie gleich. Besonders, weil es so unglaublich Frieden stiftend wirken würde. Auf dieser Zero-Zoom-Stufe lassen sich noch unzählige Dispute über Millionen von Sichtweisen führen, die dem menschlichen Drang nach Erkenntnis Rechnung tragen würden. Stattdessen füttern wir unsere zur kritischen Aufnahme noch unfähigen Kinder mit zweifelhaften Aussagen über Gott und die Welt, je nach Herkunft mit unterschiedlichen, aber meist völlig kranken Methoden. Die meisten dieser Aussagen können wir schon vor der Mitte des Lebens frustriert in die Tonne treten. Dass Burnout mit dem Zeitgeist in Verbindung gebracht wird, ist vielleicht sogar ein gutes Zeichen, wenn wir ernsthaft anfangen, dem kritischen Geist Raum zu gewähren, bevor wir wieder den Gang in Krieg und geistige Finsternis antreten.
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