Der-Schatten des Erfolges - Cover

Wer 35 Jahre lang schöpferisch tätig ist, muss mehr aus seinen Werken machen können. Es handelt sich ja nicht um verderbliche Ware, die die Mindesthaltbarkeit schon nach Tagen überschreitet und abgeschrieben werden muss. Genau an dieser Stelle setzt diese Schrift an.

Laut Statistik der Künstlersozialkasse (Stand 2009) verdient ein freischaffender Künstler im Hauptberuf durchschnittlich € 13.103,- im Jahr. Diese Zahl ist alarmierend. Noch bedenklicher ist aber die Einkommensentwicklung auf das Lebensalter bezogen. So liegt der Durchschnitt bei den Jungkünstlern bis zum 30. Lebensjahr bei € 9.688,-. Da könnte man noch einwenden, dass Lehrjahre nun einmal keine Herrenjahre seien. Dass dieses Einkommen dann bis zum Rentenalter aber nur auf € 14.197,- steigt, zeigt ein eklatantes Strukturproblem auf. Es beweist, dass die künstlerische Arbeit in der Regel nicht die Spur einer Nachhaltigkeit hat.

Wer 35 Jahre lang schöpferisch tätig ist, muss mehr aus seinen Werken machen können. Es handelt sich ja nicht um verderbliche Ware, die die Mindesthaltbarkeit schon nach Tagen überschreitet und abgeschrieben werden muss. Genau an dieser Stelle setzt diese Schrift an. Momentan werden Verwertungsgesellschaften, insbesondere die GEMA, hart attackiert. Es ist sehr bedenklich, dass viele junge Künstler mit in dieses Horn stoßen. Worauf ist es zurückzuführen, dass sie gerade ihre eigene Zukunftschance so vehement torpedieren? Ich glaube, die Antwort zu kennen.

Es ist ein Problem der mentalen Disposition. Gerade in jungen Jahren steht man vor einem kaum überschaubaren Gewirr von Gefühlswallungen. Die schöpferische Euphorie verdrängt allzu oft den ordnenden Geist. Man will seiner künstlerischen Stimme Gehör verschaffen, koste es, was es wolle. Dabei vergeuden viele junge Menschen enorme Kräfte. Plötzlich sehen sie sich der Tatsache gegenüber, dass es offensichtlich einige Kollegen gibt, die ihren Beruf anders angehen und Erträge erwirtschaften, die scheinbar keinen besonderen Kraftakt erfordern. Das erzeugt eine Mischung von Wut, Neid und Verzweiflung. Erneut ein unkontrolliertes Gefühlsgewirr. In blinder Wut schlagen sie auf alles ein, ob Freund oder Feind. Dieses Energiepotenzial muss frühzeitig kanalisiert werden.

Wenn der Zustand der Verwirrung erst erreicht ist, wird es ungleich schwerer. An dieser Stelle sind alle Institutionen und Organisationen aufgerufen, diesem Missstand Einhalt zu gebieten. Jeder Gründer einer ICH-AG wird auf Kosten der Gesellschaft auf sein Unternehmertum vorbereitet. Unsere Kunststudenten verlassen die Hochschulen aber viel zu oft in völliger Ahnungslosigkeit. Vereinzelte Unterrichtsangebote in Richtung Selbstmarketing sind nur Feigenblätter, die eine peinliche Blöße zu bedecken. Die Ausbildung zum ‚Kunstunternehmer‘ ist genauso wichtig, wie die künstlerische Schulung. In Anbetracht der Tatsache, dass es immerhin um die Existenz eines Menschen und seiner Familie geht, ist sie sogar wichtiger!

Es ist ein vollkommener Irrtum, dass die künstlerische Entwicklung darunter leidet. Das Gegenteil ist der Fall! In einem wirtschaftlich geordneten Rahmen lässt sich wesentlich besser und konsequenter arbeiten, als in einem existenziellen Chaos. Leider ist das Bild des Künstlers als wirtschaftliches Freiwild nicht tot zu kriegen. Es wird in vielen Fällen sogar noch von Ausbildern ständig neu gezeichnet. Das ist fahrlässig. Wer es auf einen künstlerischen Professorenstuhl geschafft hat, gehört zu den wenigen Ausnahmefällen. Sein Lebenslauf taugt nicht als Muster. In der Haltung zum Schüler muss das Ego da mal in der Remise bleiben.

Der folgende, holzschnittartige Lebenslauf hebt die Momente hervor, wo kurzfristiger Erfolg dem Blick auf die Nachhaltigkeit vorgezogen wurde. In anderen Fällen führte eine chaotische mentale Disposition zu teils bizarren Ergebnissen. Folgerichtig entwickelt sich ein Dilemma, das trotz aller individueller Aspekte als Muster des unternehmerischen Scheiterns eines Berufskünstlers taugt. Daraus kann man lernen und dafür habe ich dieses kleine Buch geschrieben.

Die Lebensepisoden sind nur der erste Teil des Buches. Hier darf auch mal gelacht werden, da die Geschichten zwar auch emotionale Momente haben, aber mit gehöriger Distanz geschrieben sind.

Kommentar

Der zweite Teil des Buches kommentiert die jeweiligen Episoden und beschreibt die Ereignisse aus der Sicht eines Kommentators. Diese Kommentare sind als Ratgeber für angehende, junge Künstler gedacht.

Nächste Kapitel

Präludium

Das Leben fängt bekanntlich mit der eigenen Geburt an. In meinem Fall ereignete sich dies 1956 in der Wohnung meiner Großeltern, Teil der Flöz-Hugo-Siedlung von Wanne-Eickel.

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Freejazz

Mein Freundeskreis bestand vornehmlich aus kunstbegeisterten jungen Leuten, die viel diskutierten. Zudem las man die angesagten Autoren und Philosophen, hörte avantgardistische Musik und sah sich gemeinsam Kunstbände an. Diese Clique blieb bis ins Studium hinein zusammen.

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Kulturschock

Insgesamt gesehen, war der Kurs eine Achterbahn der Gefühle. Einerseits trafen wir auf phantastische Musiker, die uns eine nicht immer schmeichelhafte Standortbestimmung ermöglichten. Andererseits bekamen wir die Bestätigung, dass das gar nicht so schlecht war, was wir da zauberten und dass unsere theoretischen Kenntnisse gar nicht so schlecht waren.

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