Horst Grabosch - Geschwätz

Unruhezustand – Wieder in den Ring steigen

von | Geschwätz

Dieser Beitrag hat einen aktuellen und sehr persönlichen Anlass. Seit 8 Wochen – und dies ist auch eine Erklärung für die kleine Pause in diesem Blog – bin ich wieder im Unruhezustand.

Dieser Beitrag hat einen aktuellen und sehr persönlichen Anlass. Seit 8 Wochen – und dies ist auch eine Erklärung für die kleine Pause in diesem Blog – bin ich wieder im Unruhezustand.

Im schlimmsten Fall müsste ich jetzt sofort das Handtuch für diesen Blog werfen und eingestehen, dass ich es nicht geschafft habe, aus den Burnouts meine Lehren zu ziehen. Das Verfassen dieses Beitrags soll jedoch das Gegenteil belegen. Vor genau 8 Wochen habe ich die Aufgabe des Label Managers eines frisch gegründeten, kleinen Independent Labels im Haifischbecken Popmusik ehrenamtlich übernommen. Das klingt nach einer Wahnsinnstat, doch ich habe es mir sehr gut überlegt.

Für diese Entscheidung galt es mehrere Dinge zusammen zu bringen. Erstens galt es die Frage zu beantworten, ob man mit den verfügbaren Kräften eine sinnvolle Arbeit überhaupt leisten kann. Ich bin diesbezüglich schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass eine selbst bestimmte Tätigkeit die einzige Chance ist, dem Wechselspiel von Begeisterung, Müdigkeit und anderer Einschränkungen überhaupt noch Lebenssinn zu entreißen.

Die zweite Frage war dann, ob und wie man genug Zeit für die eigene körperliche und seelische Gesundheit reservieren kann. Für die seelische Gesundheit war die Frage schnell beantwortet; denn unmittelbar nach der Entscheidung fühlte ich die Kraft der Motivation, die das vorher verstandesmäßig gesteuerte Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung mehr in ein gutes Bauchgefühl verwandelte und damit wesentlich wertvoller war. In Bezug auf die Disziplin, nicht erneut im Strudel der Arbeit zu versinken, hatte ich reichlich Vorarbeit geleistet, und die dadurch fest eingebaute Alarmglocke in mir schrillt bisher sehr zuverlässig.

Zu meinen therapeutischen Maßnahmen gehört ein fast täglicher Besuch des Friedhofes. Dieses Ansinnen meines geschätzten Therapeuten hatte ich zunächst nicht verstanden – und verstehe es bis heute nicht vollständig – doch es bewirkt Wunder. Es hilft beispielsweise sofort los zu lassen, wenn ich spüre, dass etwas Unangenehmes an mir zerrt, und ich verspüre nicht den Drang es zu benennen, genau so wenig, wie ich die Wirkung des Friedhofbesuches benennen will. Wahrscheinlich könnte ich es sogar mit viel analytischer Arbeit, doch warum sollte ich das tun? Warum, um Himmels Willen, sollte ich das tun – warum? Und genau diese Frage stelle ich mir bei allen Dingen, die mich heute bedrängen: Warum sollte ich das eigentlich tun?

Eine sinnvolle Aufgabe beantwortet Fragen, ohne dass man sie stellen muss. Warum macht euer Label diese Musik? Weil es diese Musik machen will! Warum machst du da mit? Weil ich es will! Macht das denn Sinn? Für mich macht es Sinn! Diese Musik macht mir Freude!

Ich erinnere mich an Tausende von Stimmen in meinem Leben, die mir erklären wollten, warum ich eine Sache anders machen sollte, warum ich alles hinterfragen sollte, warum ein Erfolg ausblieb. Heute weiß ich, dass das alles Unwichtig ist. Die Voraussetzung von Erfolg ist in der Regel eine Reihe von zielgerichteten Anstrengungen – das ist steuerbar.  Alles andere ist von so großer Komplexität, dass man es tunlichst erst gar nicht bedenken sollte, es sei denn man verdient seinen Lebensunterhalt als Analytiker.

In den Gesprächen mit den jungen Künstlern unseres Labels erfahre ich, dass ich bereits über Tonnen von gesammelten Erfahrungen, also Ressourcen, verfüge, die ich ohne große Mühe abrufen und auch schnell erweitern kann. Ohne Mühe – das ist das Entscheidende. Die Mühe, die Qual entsteht durch Missgunst, Misstrauen, Neid und andere üblen Dinge. Diesen Anwandlungen muss man energisch und gleichzeitig gelassen entgegentreten. Ich stehe für diesen Müll nicht zur Verfügung.

Der Musikmarkt ist einer der härtesten Branchen und Musiker-Burnouts sind geradezu Paradebeispiele für Selbstausbeuter – und das ist ein Burnout-Kandidat auf den kürzesten Nenner gebracht. In diesem Sinne sollte es hier aller Vorausschau nach noch spannender werden, und der ausgebrannte Nichtmusiker wird sehr viele Parallelen zu seinem eigenen Leben finden.

 

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