Patientenbund auf Reisen
Aber auch die Leiter vom Patientenbund dürfen tolle Reisen machen. Du hast bestimmt auch von den Reisen des Patientenbundes gehört, wo die in ferne Länder fahren, wo viele nackige Frauen rumlaufen und alles total Spaß macht. Das ist auch echt, denn natürlich gehören die alle zum Personal der Organisation. Patienten hätten viel zu viel Angst vor solchen weiten Reisen.
Lieber Peter,
du unruhiger Geselle. Ich weiß ja nicht, wie du es geschafft hast, nicht in der Anstalt zu landen. Oder bist du drin? Leute wie dich spürt die Organisation doch sofort auf, du alter Aufwiegler. Mich jedenfalls hat es schon vor Jahren erwischt. Ist aber ganz nett hier, wenn man nur ruhig bleibt.
Vielleicht weißt du gar nicht, dass es eine Organisation gibt, die Rebellen in den offenen Vollzug lockt. Ja, wirklich! Das merkt keiner so richtig. Eines Tages kommt einem nur alles so komisch vor, natürlich nur, wenn man viel nachdenkt. Ich hab es durch pures Nachdenken geschnallt, dass ich in der Anstalt bin. Viele Patienten merken es nie!
Die Organisation macht das aber auch unglaublich geschickt. Alles scheint ganz normal, aber wenn du genug nachdenkst, erkennst du den Unterschied zum Bürgerleben. Dinge, an die sich Patienten trotz Dauerbehandlung vielleicht erinnern könnten, werden einfach imitiert. Die meisten wissen ja nach der Erstbehandlung sowieso nicht mehr, wie mal alles war. Danach hat man nur noch dichten Nebel im Kopf. Aber manchmal kommt so ein Kribbeln im Bauch, dass es da noch irgendwas gab.
Nun kennst du doch bestimmt diese Vereinigungen, die im freien Leben dafür sorgen sollen, dass es möglichst allen einigermaßen gut geht. Hier bei uns im Anstaltsfernsehen nennen sie das Gewerkschaft. Gibt es das wirklich? In der Anstalt könnte man es besser Patientenbund nennen. Was wir hier sehen, ist garantiert gestellt. Man merkt sofort, dass alle im Patientenbund entweder freie Bürger oder Schauspieler sind. Die spielen so gut, dass es wie echt ist.
Man sieht also im Anstaltsfernsehen, wie die freien Bürger zusammen in Sonderurlaub fahren, weil sie gute Arbeit geleistet haben. Das ist wirklich echt. Gute Arbeit bedeutet, dass sie wieder viele Arbeiter erwischt haben, die dann auch später in die Anstalt kommen. Die nehmen denen einfach die Arbeit im freien Leben weg, und Schwupps, ein paar Wochen später wollen die nur noch weg aus ihren teuren Wohnungen. Und was meinst du wohl, wo die landen?
Aber auch die Leiter vom Patientenbund dürfen tolle Reisen machen. Du hast bestimmt auch von den Reisen des Patientenbundes gehört, wo die in ferne Länder fahren, wo viele nackige Frauen rumlaufen und alles total Spaß macht. Das ist auch echt, denn natürlich gehören die alle zum Personal der Organisation. Patienten hätten viel zu viel Angst vor solchen weiten Reisen.
Und wenn die mit anderen nackigen Frauen zusammen wären, gäbe es aber tierischen Ärger mit der Intensivgruppenfrau. Die weiß nämlich, wie schädlich das für Patienten ist, weil die dann unruhig werden. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das heißt, Ärger mit der Intensivgruppenfrau. Da wird die Therapie aber schnell zur Hölle.
Soweit ist ja alles klar. Aber jetzt wollen die uns im Anstaltsfernsehen unterjubeln, dass die Leiter vom Patientenbund für die Reisen bestraft werden können. Das ist natürlich totaler Unsinn, weil freie Bürger natürlich immer zusammenhalten. Außerdem tun die doch nur ihre Pflicht. Freie Bürger müssen nämlich sogar viele tolle Reisen machen und große Autos fahren. Die können gar nicht anders.
Manchmal erwisch ich meinen Jungbürger wie er so vor dem Fernseher murmelt: „Ich würde auch die Reise machen.“ Dann geh ich immer in meine Kammer und lache heimlich ganz viel. Natürlich würde er das auch so machen, der Jungbürger, muss er ja auch.
Wenn sich da mal ein echter Patient bei so einer Reise einschleicht, der vielleicht trotz Behandlung noch Mut hat, au weh. Der wird aber seines Lebens nicht mehr froh. Vielleicht schicken die den sogar im Winter in die Berge. Dann muss er den freien Bürgern wochenlang den Liftbügel hinhalten.
Klar, Strafe muss sein.
Nächste Kapitel
Nachdenker und Häuserplaner
Es war eine geheime Drohung an uns Patienten. Es sollte sagen: „Was auch immer ihr denkt, ich könnte auf der Stelle anfangen zu lesen und den Unterschied zwischen Euch und mir noch größer machen!“ Das hat mir mächtig Angst eingejagt.
Die Sache mit der Zeit
Da gibt es doch den berühmten Universumsnachdenker mit den strubbeligen Haaren und den lustigen Augen. Ich hab es ja nicht so mit Namen, du kennst das ja bei mir, ein Symptom meiner Krankheit. Deshalb bin ich ja auch in der Anstalt gelandet. Jedenfalls hat der herausgefunden, dass es gar keine Zeit gibt, oder so ähnlich. Der Wahnsinn, oder?
Ein böser Traum
Heute Nacht hatte ich einen seltsamen Traum. Normalerweise liebe ich die Träume, weil sie ein wenig Freiheit bedeuten. Stell dir vor, ich konnte schon oft fliegen im Traum. So ganz ohne Flugzeug, einfach so. Abheben, Purzelbäume schlagen und ewig in der Luft bleiben. Da staunen die Traumpassanten aber nicht schlecht, sag ich dir. Es war immer fantastisch. Flugträume hatte ich aber schon lange nicht mehr.