Ich hatte es ja kommen sehen
Zur Zeit des Entstehens des Textes waren Poetry Slams sehr angesagt. Das wollte ich auch einmal ausprobieren. Es wurde dann so etwas.
Ich hatte es ja kommen sehen
… sie würden sich treffen
vor meinen eigenen Augen
noch war der Ort verwaist
an dem es geschehen sollte
nur ein alter Mann steht da
vor dem Starbucks
auf der anderen Straßenseite
älter als ich
besser gesagt – noch älter
was für ein Tag!
Summer in the city
der Tag, an dem es geschehen würde
ein Liebesblitz – vom Himmel krachend
unerwartet, ganz unerwartet
die Angst besiegend
nicht für mich selbst
aber ich würde dabei sein
das Glück beobachten – selbst glücklich sein
noch ist keiner von beiden zu sehen, aber ich weiß
sie werden kommen
befinden sich noch in den Seitenstraßen
die den Block umsäumen
der alte Mann schaut mich an
über die vorbeihuschenden Autos hinweg
sieht verlebt aus
hager
auf einen Stock gestützt
was will er von mir?
er wird nicht stören, soviel ist klar
ich sah SIE zuerst
beschwingter Gang
lächelnd
ahnte sie es schon?
der Gang ließ Ballett erahnen
braunes, langes Haar
perfekt
ihr luftiges Sommerkleid
wurde von einem Windhauch erfasst
der Stoff umschmeichelte ihre schlanken Schenkel
unschuldig
Sie war der Stoff, aus dem die Träume sind
unschuldige Träume
einfache Glücksträume
von einer besseren Welt
dann ER
gebräunt
lebte wohl meistens outdoor
abenteurer
es sollte schon passen
sein Gang eher lässig – schlendernd
er ahnte sicher noch nichts
das tun Männer sowieso selten
der Gedanke machte mich etwas besorgt
würde ein Idiot meinen Traum zerstören?
Zu viele Träume waren schon zerplatzt,
wie schmutzige Seifenblasen
oder waren schon im Entstehen verkümmert
als schmierige Seifenlauge
am Fenster zum Glück zerlaufen
heute nicht – an diesem Tag muss es anders sein!
vielleicht die allerletzte Möglichkeit
überhaupt
sie würden sich genau vor dem Starbucks treffen
er würde kurz erstarren
sich dann schnell wieder fassen
wie Abenteurer so sind
„darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“
würde er sagen.
Und sie?
Und sie?
Oh mein Gott – sie würde antworten: „Klar doch“
Einfach nur – Klar doch!
—–
sie war etwas zu schnell …
hielt aber an
vor dem Starbucks
hatte wohl etwas im Fenster entdeckt
und er – und er!
wo schaut der denn hin?
wo schaut der Trottel denn hin?
schaut auf den alten Mann
geht vorbei
wortlos!
die vorbeihuschenden Autos werden langsamer
immer langsamer
sie kommen kaum noch von der Stelle
—–
es zog zu
die Lichter des Cafés erhellten den Gehweg,
auf dem jetzt die ersten Tropfen niedergehen.
nur noch der Alte ist drüben zu sehen
er winkt mit dem Stock herüber
besser, er schwenkt ihn seltsam über dem Kopf
hin und her
hin und her
hin und her
wie eine – Sense?
Kommentar
Zur Zeit des Entstehens des Textes waren Poetry Slams sehr angesagt. Das wollte ich auch einmal ausprobieren. Es wurde dann so etwas.
Nächste Gedichte
Ein Männlein
Ein Männlein steht im Walde, da macht´s krawumm. Das Männlein hat´s erwischt, es weiß nicht warum. Seht, wer mag das Männlein sein, das da steht auf einem Bein, und hat ein kleines Mäntelein aus blutrot um.
Der Preis des Wollens
Wenn sanft das Mondlicht auf den Hügeln schläft, geht eine Seele auf Reisen. Im Schatten durchstreift sie geduldig das Tal mit dem saftigen Moos. Dann erklimmt sie den Hügel bis zum Finger des Mondes und legt ihren Kopf an den Saum seines Lichts.
Vornehmlich die Investmentbanken
2008 geschrieben, hat dieses Gedicht nichts von seiner Aktualität verloren. Während Bänker von Investmentbanken ihr privates Geld in Liechtenstein zu retten versuchen, bereitet man andernorts gerade die Geburtstagsfeier der jungen Tochter vor. In der Prekariatsfamilie geht es hoch her, während im TV gerade ein Bänker seine ignorante Sicht der Dinge verkündet.