Horst Grabosch - Gedichte

Ich hatte es ja kommen sehen

von | Gedichte

Zur Zeit des Entstehens des Textes waren Poetry Slams sehr angesagt. Das wollte ich auch einmal ausprobieren. Es wurde dann so etwas.

Ich hatte es ja kommen sehen

… sie würden sich treffen
vor meinen eigenen Augen

noch war der Ort verwaist
an dem es geschehen sollte

nur ein alter Mann steht da
vor dem Starbucks
auf der anderen Straßenseite

älter als ich
besser gesagt – noch älter

was für ein Tag!
Summer in the city

der Tag, an dem es geschehen würde
ein Liebesblitz – vom Himmel krachend
unerwartet, ganz unerwartet
die Angst besiegend

nicht für mich selbst
aber ich würde dabei sein
das Glück beobachten – selbst glücklich sein

noch ist keiner von beiden zu sehen, aber ich weiß
sie werden kommen

befinden sich noch in den Seitenstraßen
die den Block umsäumen

der alte Mann schaut mich an
über die vorbeihuschenden Autos hinweg

sieht verlebt aus
hager
auf einen Stock gestützt
was will er von mir?

er wird nicht stören, soviel ist klar

ich sah SIE zuerst
beschwingter Gang
lächelnd
ahnte sie es schon?

der Gang ließ Ballett erahnen
braunes, langes Haar
perfekt

ihr luftiges Sommerkleid
wurde von einem Windhauch erfasst
der Stoff umschmeichelte ihre schlanken Schenkel

unschuldig

Sie war der Stoff, aus dem die Träume sind

unschuldige Träume
einfache Glücksträume
von einer besseren Welt

dann ER

gebräunt
lebte wohl meistens outdoor
abenteurer

es sollte schon passen

sein Gang eher lässig – schlendernd
er ahnte sicher noch nichts

das tun Männer sowieso selten

der Gedanke machte mich etwas besorgt
würde ein Idiot meinen Traum zerstören?

Zu viele Träume waren schon zerplatzt,
wie schmutzige Seifenblasen

oder waren schon im Entstehen verkümmert
als schmierige Seifenlauge
am Fenster zum Glück zerlaufen

heute nicht – an diesem Tag muss es anders sein!
vielleicht die allerletzte Möglichkeit

überhaupt

sie würden sich genau vor dem Starbucks treffen
er würde kurz erstarren
sich dann schnell wieder fassen

wie Abenteurer so sind

„darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“
würde er sagen.

Und sie?
Und sie?

Oh mein Gott – sie würde antworten: „Klar doch“

Einfach nur – Klar doch!

—–

sie war etwas zu schnell …

hielt aber an
vor dem Starbucks
hatte wohl etwas im Fenster entdeckt

und er – und er!
wo schaut der denn hin?
wo schaut der Trottel denn hin?

schaut auf den alten Mann
geht vorbei
wortlos!

die vorbeihuschenden Autos werden langsamer
immer langsamer
sie kommen kaum noch von der Stelle

—–

es zog zu
die Lichter des Cafés erhellten den Gehweg,
auf dem jetzt die ersten Tropfen niedergehen.

nur noch der Alte ist drüben zu sehen
er winkt mit dem Stock herüber

besser, er schwenkt ihn seltsam über dem Kopf

hin und her
hin und her
hin und her

wie eine – Sense?

Kommentar

Zur Zeit des Entstehens des Textes waren Poetry Slams sehr angesagt. Das wollte ich auch einmal ausprobieren. Es wurde dann so etwas.

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