Anerkennung statt Generalverdacht in Hartz 4
Anerkennung und Hartz 4 scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Stattdessen herrscht Generalverdacht in den Fluren der Jobcenter. Entweder man schafft den Sprung aus der Förderung ganz oder gar nicht. Bescheidene Bemühungen werden nicht gelobt, obwohl sie auch den Staat entlasten.
Anerkennung und Hartz 4 scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Stattdessen herrscht Generalverdacht in den Fluren der Jobcenter. Entweder man schafft den Sprung aus der Förderung ganz oder gar nicht. Bescheidene Bemühungen werden nicht gelobt, obwohl sie auch den Staat entlasten. Folgende Geschichte, für deren Wahrheitsgehalt ich mich verbürge, belegt diese Sicht. Eine Familie ist nach über 60 gemeinsamen Sozialversicherungsjahren der Eltern durch unglückliche Umstände in Hartz 4 gerutscht. Ein junger, erwachsener Sohn, der nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört, stellt die Mutter in seinem sehr jungen Einmann-Unternehmen als Teilzeit-Bürokraft ein, um ihr Aufgabe und Würde zurückzugeben. Dabei belastet er seine Bilanz bis an die Grenze des Vertretbaren und muss das Arbeitsverhältnis auch nach 6 Monaten wieder kündigen, weil das Unternehmen die Mehrbelastung nicht mehr tragen kann. Der Sachbearbeiter lässt nach Kenntnisnahme des Arbeitsvertrages seine persönliche Missbilligung erkennen und spricht wörtlich von einem ´Trick´.
Nun, wie sieht dieser ´Trick´, der eine Vorteilsnahme unterstellt, de facto aus (Monatszahlen)? Von dem Bruttoarbeitslohn von etwa € 500,- (ich runde die realen Zahlen) bleiben der Bedarfsgemeinschaft nach Verrechnung mit dem ALG 2 etwa € 150,- als Mehreinnahme. Der Sohn hat eine Mehrbelastung von etwa € 560,-.
Wer hat nun einen Vorteil aus diesem „Trick“? Das Staatssäckel wird um etwa € 200,- entlastet und etwa € 120,- landen in den Kassen der Sozialversicherung. Selbst bei Unterstellung einer Kompensation durch Hotel Mama (Wäsche waschen, bügeln etc.), bleibt ein Familienminus von € 320,-. Ein stolzer Preis für – ja was eigentlich?
Der Demütigung durch das Jobcenter zu entgehen? Sklavenjobs, wie Paketsklave oder unbezahlte Praktika, ablehnen zu können? Verfassungs- und gesetzeskonforme Antworten nehme ich gerne entgegen! Aktionen, wie die Massenversendung von Zahlungsaufforderungen bestätigen die Grundhaltung des Generalverdachts.
Das war weder von Peter Hartz, noch von den Parteien gewollt, und wird auch durch die Gesetze nicht gestützt. Was also passiert denn da? Es ist zu befürchten, dass menschliches Versagen, in Form von Gerechtigkeitswahn durch die Mitarbeiter samt Vorgesetzten, fröhliche Urständ feiert. Versagen von Menschen, die selbst am Tropf des Staates hängen! Wenn diese Menschen glauben, dass sie für die Gesellschaft mehr Wert haben, nur weil sie einer abhängigen Erwerbsarbeit nachgehen dürfen, so ist zudem auch noch Schwachsinn zu diagnostizieren. Schwachsinnige Versager in Staatsdiensten – Schreibtischtäter? Vielleicht wäre da mal eine Aufklärungsveranstaltung durch unsere gewählten Volksvertreter angesagt.
Anerkennung und Freundlichkeit kostet doch nichts, und ist nicht mit der Vorschrift den Antragsteller ´Kunde´ zu nennen erledigt. Wie wäre es denn mit folgendem Musterschreiben: Liebes Mitglied der deutschen Solidargemeinschaft, es freut uns, dass Sie einen ersten Schritt zur Erlangung Ihrer Unabhängigkeit von Solidarleistungen gemacht haben. Sie entlasten damit den Staatshaushalt und tragen zu einer dauerhaften Grundsicherung in unserer Gesellschaft bei. Dieser Anstrengung gebührt unsere Anerkennung. Nach den Gesetzen sind wir verpflichtet, Ihnen weiter zu helfen und unterstützen Sie bis zur Erlangung Ihrer vollständigen Unabhängigkeit. Die Gesetze verpflichten aber auch Sie, weiter nach Möglichkeiten zur Selbstverantwortung zu suchen. Auf diesem Weg wünschen wir weiter alles Gute. Ihr Jobcenter
Wow, was für ein Brief – ist das so schwer?
Nachtrag am 20.11.2012 (Zitat): Die nordrhein-westfälischen Grünen haben sich für eine Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV ausgesprochen. Der Landesvorstand Sven Lehmann machte deutlich, dass ein „Paradigmenwechsel“ nötig sei, um weg von Strafen hin zu „Motivation, Anerkennung und Beratung auf Augenhöhe“ zu kommen.
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